Erfolg für Jones Day und VW vor dem BVerfG: StA darf beschlag­nahmte Unter­lagen zur Abgas­af­färe nicht aus­werten

von Pia Lorenz

26.07.2017

Die Staatsanwaltschaft München II darf die Unterlagen, die sie bei der von VW mit internen Ermittlungen beauftragten Kanzlei Jones Day beschlagnahmt hat, vorerst nicht auswerten. Das Material wird für maximal sechs Monate hinterlegt.

Anlässlich eines in den USA geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Abgasmanipulationen an Dieselfahrzeugen beauftragte die Volkswagen AG die Rechtsanwaltskanzlei Jones Day im September 2015 mit internen Ermittlungen, rechtlicher Beratung und der Vertretung gegenüber den US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden.

Die Anwälte der internationalen Kanzlei, unter ihnen auch solche aus dem Münchner Büro, sichteten innerhalb des VW-Konzerns eine Vielzahl von Dokumenten und führten konzernintern über 700 Befragungen von Mitarbeitern durch. Am 15. März 2017 wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft (StA) München, die wegen Betrugs und strafbarer Werbung im Kontext der 3-Liter-Motoren der VW-Tochter Audi AG bislang gegen Unbekannt ermittelt, die Räume der Kanzlei untersucht und zahlreiche Unterlagen sowie Daten beschlagnahmt.

Diese dürfen vorläufig nicht ausgewertet werden, entschied nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Eilverfahren auf die Anträge der Volkswagen AG, der Rechtsanwaltskanzlei Jones Day sowie der sachbearbeitenden Rechtsanwälte aus dem Münchener Büro der Law Firm (Beschl. v. 25.07.2017, Az. 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1405/17, 2 BvR 1562/17, 2 BvR 1583/17). Dürfte die Staatsanwaltschaft die Unterlagen und Daten erst einmal auswerten, entstünde ein irreparabler Schaden, so die Karlsruher Richter.

Vertrauensverlust bei rechtswidriger Datenauswertung wäre zu groß

Die Folgenabwägung, die die Karlsruher Richter im Eilverfahren bei nicht offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Verfassungsbeschwerden vornehmen, geht zu Lasten der Strafverfolgungsbehörden aus. VW hat damit eine hohe Hürde genommen.

Erginge die einstweilige Anordnung, entstünde bloß eine Verzögerung in deren Ermittlungen, argumentiert die 3. Kammer des Zweiten Senats. Erginge sie hingegen nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, könnte die StA in der Zwischenzeit eine Auswertung des sichergestellten Materials vornehmen.

Die aber könnte nicht nur das geschützte Vertrauen im Mandatsverhältnis zwischen VW und Jones Day, sondern auch das anderer Mandanten der Kanzlei so sehr erschüttern, dass diese Aufträge zurückziehen könnten. Das wiederum würde sich unmittelbar auch auf die berufliche Tätigkeit der sachbearbeitenden Anwälte auswirken würde, so das BVerfG.

Darüber hinaus könnte die StA durch die Auswertung Kenntnis von Informationen erlangen, die allesamt aufgrund des von der Volkswagen AG erteilten Mandats in die Sphäre der Kanzlei gelangt sein könnten und über deren Preisgabe sie als Auftraggeberin bisher selbst entscheiden konnte. Schließlich könnten diese durch eine Auswertung, die sich später als rechtswidrig erweisen würde, auch an persönliche Daten unbeteiligter Dritter, insbesondere von Mitarbeitern der Volkswagen AG oder ihrer Tochtergesellschaften wie etwa der Audi AG, kommen.

Die Materialien müssen nun beim Amtsgericht hinterlegt und bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden versiegelt werden - längstens für sechs Monate. Ende Mai war VW mit einem ähnlichen Eilantrag in Karlsruhe gescheitert, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Rechtsschutzmöglichkeiten vor den Fachgerichten ausgeschöpft waren.

Mit Material von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Erfolg für Jones Day und VW vor dem BVerfG: StA darf beschlagnahmte Unterlagen zur Abgasaffäre nicht auswerten . In: Legal Tribune Online, 26.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23649/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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