Die juristische Presseschau vom 18. Januar 2019: Ein­stel­lung des Love­pa­rade-Ver­fah­rens? / Haft­strafen im Fall Mau­rice K. / Bri­ti­sches "Ups­kir­ting"-Verbot

18.01.2019

Das Landgericht Duisburg begründet eine mögliche Einstellung des Loveparade-Verfahrens. Außerdem in der Presseschau: Freiheitsstrafen im Prozess um den zu Tode geprügelten Maurice K. und das "Upskirting" wird in England/Wales verboten. 

Thema des Tages

LG Duisburg – Loveparade: In einer öffentlichen Erklärung hat der Vorsitzende Richter im Loveparade-Verfahren vor dem Landgericht Duisburg, Mario Plein, die Ergebnisse des Rechtsgesprächs zu einer möglichen Verfahrenseinstellung präsentiert. Dies berichten SZ (Christian Wernicke), FAZ (Reiner Burger)spiegel.de (Lukas Eberle), focus.de (Axel Spilcker) und Welt (Kristian Frigelj). Bei einer Massenpanik im Juli 2010 waren 21 Menschen gestorben. Zehn Beschuldigten wird vorgeworfen, dies durch Planungsfehler verursacht zu haben. Richter Plein schlug vor, das Verfahren gegen sieben der Angeklagten wegen geringer Schuld einzustellen, gegen drei weitere Angeklagte komme eine Einstellung gegen eine Geldzahlung in Betracht. Zu ihren Gunsten sei zu berücksichtigen, dass es im Jahr 2010 keine gesetzlichen und organisatorischen Vorgaben für die Planung einer solchen Großveranstaltung gegeben habe. Zudem habe sich um ein kollektives Versagen einer Vielzahl von Personen gehandelt. Das Gericht hat den Verfahrensbeteiligten bis zum 5. Februar Zeit gegeben, sich zu dem Vorschlag zu äußern. Die SZ (Regina Steffens/Nora Reinhardt) stellt die Chronologie der Ereignisse und den Verfahrensgang vor.

Reiner Burger (FAZ) weist darauf hin, dass eine Einstellung ein fehlendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung voraussetze. Diese Annahme könne hier "nur schwer zu begründen sein". Wenn eine Hauptverhandlung hingegen ergebe, dass keine Einzelperson für das Geschehen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könne, dann sei dies zu akzeptieren. 

Rechtspolitik

Abschiebehaft: Nach einem Eckpunktepapier des Bundesinnenministeriums unter Horst Seehofer (CSU) für ein "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" sollen ausreisepflichtige Ausländer künftig in den gleichen Gefängnissen wie Straftäter untergebracht werden können. Dies berichtet zeit.de. Hierfür müsste das Trennungsgebot von Abschiebehäftlingen und Strafgefangenen ausgesetzt werden. Kritik kommt von Grünen und FDP. "Die Untätigkeit der Länder, ausreichend Abschiebehaftplätze vorzuhalten", dürfe nicht zum Aushebeln rechtsstaatlicher Prinzipien führen, wird FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae zitiert. 

Justiz

LG Passau zum Fall Maurice K.: Nach dem Tod des 15 Jahre alten Schülers Maurice K. bei einer Prügelei im April 2018 ist ein 25 Jahre alter Mann vom Landgericht Passau wegen fahrlässiger Tötung zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dies berichten SZ (Hans Holzhaider)FAZ (Karin Truscheit) und focus.de (Lena Glöckner). Drei weitere minderjährige Männer, die ebenfalls beteiligt waren, wurden zu Jugendstrafen verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Welcher der Angeklagten die tödliche Kopfverletzung verursacht habe, sei nicht zu ermitteln gewesen. Der getötete Schüler hatte sich ursprünglich mit einem der Angeklagten zu einem Kampf "eins gegen eins" verabredet, dann hatten sich jedoch auch weitere Personen eingemischt. 

EuGH – Testsiegel: Produkthersteller sollen Testsiegel nur mit dem Einverständnis des Unternehmens verwenden dürfen, das den Test durchgeführt hat. Das hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof vorgeschlagen, wie lto.de berichtet. Im konkreten Fall geht es um eine Zahnpasta der Firma Dr. Liebe, die "Öko-Test" im Jahr 2005 als "sehr gut" bewertete. "Öko-Test" hatte die Verwendung seines Labels für Werbezwecke durch Dr. Liebe dennoch untersagt, da es inzwischen neue Testparameter gebe und die Zahnpasta mit der damals getesteten nicht mehr identisch sei. Nach Ansicht des Generalanwalts könnte eine derartige Weiterverwendung der ursprünglichen Bewertung den Wert der Marke "Öko-Test" als Qualitätssiegel beeinträchtigen.

LSG Thüringen zu Dusch-Unfall: Ein Unfall beim Duschen, der während einer Dienstreise geschieht, ist kein Arbeitsunfall. Dies hat das Landessozialgericht Thüringen entschieden, wie lto.de meldet. Für eine derartige Einstufung fehle ein sachlicher Zusammenhang mit den eigentlichen Aufgaben des Arbeitsverhältnisses. 

VG Berlin zu gefährlichen Werkzeugen: Das Verwaltungsgericht Berlin hat eine Allgemeinverfügung der Bundespolizei suspendiert, die das Mitführen von gefährlichen Werkzeugen in Zügen und auf den Bahnhöfen im Berliner Nahverkehr untersagt. Dies berichten lto.de und FAZ (Markus Wehner). Die Verfügung sei nicht hinreichend bestimmt genug, weil nicht klar sei, welche Gegenstände dem Verbot unterfielen. 

LG Hamburg – G-20: Die SZ (Thomas Hahn) berichtet über einen Prozess gegen fünf Angeklagte vor dem Landgericht Hamburg wegen der Ausschreitungen beim G-20-Gipfel im Jahr 2017. Ihnen wird vorgeworfen, Teil eines aus etwa 220 vermummten Personen bestehenden "Schwarzen Blocks" gewesen zu sein, aus dem heraus am Freitagmorgen des Gipfelwochenendes an der Elbchaussee Autos angezündet und Fenster eingeschlagen wurden. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten dabei nicht vor, eigenhändig Gewalttaten begangen zu haben. Sie seien aber Teil des "marodierenden Pulks" gewesen und hätten dadurch "psychischen und tatsächlichen Rückhalt" gewährt. Die Verteidigung sieht in dieser Strategie den Versuch, das Demonstrationsrecht anzugreifen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde die Öffentlichkeit von dem Verfahren ausgeschlossen, da Solidaritätsbekundungen und Beifall aus dem Zuschauerraum einen schlechten Einfluss haben könnten, so das Gericht.  

EGMR – Sammelabschiebungen: In einem Gastbeitrag für die SZ berichten Sonja Buckel und Maximilian Pichl über ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zum Zurückdrängen von Schutzsuchenden in der spanischen Exklave Melilla in Nordafrika. Diese Praxis nehme den Flüchtenden die Gelegenheit, im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens ihre Gründe für einen Asylantrag darzulegen. Hierin liege ein Verstoß gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Insgesamt betreffe das Verfahren die Frage, "ob die europäischen Grenzen auch die Grenzen des Rechtsstaats" seien.   

ArbG Berlin zu "Volkslehrer": community.beck.de (Markus Stoffels) befasst sich mit dem am Mittwoch verkündeten Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, das die Kündigung des sogenannten "Volkslehrers" als rechtmäßig aufrechterhalten hatte. Dieser habe u.a. in von ihm auf Youtube verbreiteten Videos die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt und verächtlich gemacht. Dabei verweist Stoffels auf den seines Erachtens befremdlichen Umstand, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten zunächst einen Vergleich vorgeschlagen hatte, der neben der Zahlung ausstehender Gehälter auch eine Abfindung von 20.000 Euro vorsah. Mit der Ablehnung dieses Vergleiches habe das Land Berlin aber sein Gesicht gewahrt. 

Recht in der Welt

Brasilien – Femizid-Gesetz: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro plant, das 2015 verabschiedete "Gesetz gegen den Femizid" abzuschaffen. Dies berichtet SZ (Boris Herrmann). Das Gesetz erklärt die Tötung einer Frau allein aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau ist, zu einer "niederträchtigen Straftat". Hiermit sollte auf eine hohe Anzahl von Tötungen von Frauen durch Ehemänner oder ehemalige Liebhaber reagiert werden. Bolsonaro hält das international als vorbildlich geltende Gesetz für überflüssig.  

Großbritannien – "Upskirting": Der britische Gesetzgeber hat nun auch für England und Wales das sogenannte "Upskirting" verboten, also das Fotografieren unter den Rock. Es berichten u.a. taz (Leonie Gulba) und spiegel.de. Dieser Tatbestand war dort, anders als in Schottland, bisher nicht strafbar, da Gesetze gegen Voyeurismus nicht griffen, wenn das Fotografieren in der Öffentlichkeit stattfand. Das Gesetz geht auf die Bemühungen der Aktivistin Gina Martin zurück, die im Sommer 2017 auf einem Musikfestival selbst Opfer von Upskirting geworden war. Der Täter hatte das Foto per Whatsapp an einen Freund geschickt. 

Sonstiges

AfD/Verfassungsschutz: Auf verfassungsblog.de befasst sich Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz mit der Einstufung der AfD als "Prüffall" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Entscheidung habe niemanden überraschen können, da sich zumindest Teilgliederungen der AfD in den vergangenen Jahren immer weiter radikalisiert hätten. Der Tsp (Frank Jansen) stellt das interne Gutachten des BfV vor, in dem eine Vielzahl öffentlicher Äußerungen von AfD-Politikern zusammengestellt und bewertet wurden. Diese würden teilweise ein "ethnisch-biologisch bzw. ethnisch-kulturell begründetes Volksverständnis propagieren, das gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG" verstoße, wird aus dem Gutachten zitiert. 

BRAK – Drohungen gegen Anwältin: Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat Drohungen gegen die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız verurteilt, die Angehörige im NSU-Prozess und den islamistischen Gefährder Sami A. vertreten hatte. Dies meldet lto.de. Die Anwältin hatte mehrere teils mit "NSU 2.0" unterzeichnete Briefe erhalten, in denen Rechtsextreme ihr drohten, sie und ihre Familie "abzuschlachten". Auch der Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Ulrich Schellenberg, forderte die Politik auf, die Angriffe aufzuklären. 

LLM-Studium: In einem Gastbeitrag befasst sich Elisabeth Baier auf lto.de, die einen LLM-Abschluss von der London School of Economics erworben hat, mit den Vor- und Nachteilen eines LLM-Studiums im Ausland. Positiv hervorzuheben seien etwa der persönliche Kontakt zu Professoren und die hohe Qualität von oft hochkarätigen Gastvorträgen. Auch seien die Studiengänge sehr international, allerdings würden die Studierenden angesichts hoher Gebühren auch ganz überwiegend aus der Oberschicht der jeweiligen Heimatländer kommen. Auch sei eine Kunden-Mentalität unter den Studierenden verbreitet, wobei "Namen und Ranking der Universität mehr zu zählen scheinen als die individuelle Leistung".

100 Jahre Frauenwahlrecht: In einer Feierstunde im Bundestag zum 100. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts haben sich SPD-Politiker erneut für die Einführung eines Paritätsgesetzes ausgesprochen, um den Anteil von Frauen im Parlament zu erhöhen. Dies berichten u.a. lto.de und FAZ (Eckart Lohse). Der Frauenanteil im Bundestag war 2017 auf noch nicht einmal 31 Prozent geschrumpft, das Niveau von 1998. Gegner des Vorhabens sehen hierin indes eine verfassungswidrige Einschränkung der freien Wahl.  

Das Letzte zum Schluss

Diebstahl mit begrenzter Reichweite: Wenig geschickt stellte sich eine 23-Jährige an, die ihr Auto im schwäbischen Gersthofen unverschlossen und mit dem Schlüssel darin zurückließ. Wie die SZ berichtet, tat es ihr der darauf auf den Plan tretende Autodieb jedoch an Ungeschicktheit gleich: Er konnte zwar leichter Dinge mit dem Auto fortfahren, übersah dabei jedoch die Tankanzeige, wonach der Tank fast leer war. So blieb das Auto kurze Zeit später liegen.  

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mps

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage. 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Januar 2019: Einstellung des Loveparade-Verfahrens? / Haftstrafen im Fall Maurice K. / Britisches "Upskirting"-Verbot . In: Legal Tribune Online, 18.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33301/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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